Pflege-Report 2023

Versorgungsqualität von Langzeitgepflegten

Der Pflege-Report rückt im Schwerpunkt 2023 die „Versorgungsqualität von Langzeitgepflegten“ in den Fokus. Bereits im Jahr 2018 widmeten wir uns dem Thema „Qualität in der Langzeitpflege“. Viel ist seither geschehen: Die gesetzliche Qualitätssicherung in der Pflege wurde grundlegend reformiert, die Pandemie hat als „Brennglas“ insbesondere im Pflegeheim erhebliche Defizite aufgezeigt. Die Wirkungen unzureichender Personalausstattung, Qualifikation und interprofessioneller Zusammenarbeit treten immer deutlicher zutage. Diese Entwicklungen sind Anlass genug, die Themen Versorgungsqualität und Qualitätssicherung bei Langzeitgepflegten im Pflege-Report aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und aktuelle Entwicklungen in 14 Fachbeiträgen einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Zudem präsentiert der Pflege-Report empirische Analysen zur Pflegebedürftigkeit in Deutschland sowie zur Inanspruchnahme verschiedener Pflegeformen.

Mit dem Pflege-Report 2023 geht zugleich das neue Online-Portal qualitaetsatlas-pflege.de online. Als erster interaktiver Atlas in Deutschland stellen wir auf Basis der Routinedaten aller AOK-Kranken- und -Pflegekassen Informationen zur Versorgungsqualität bei Pflegeheimbewohnenden auf Kreis-, Länder- und Bundesebene der Öffentlichkeit bereit.

Inhaltsverzeichnis

TEIL I Qualitätsmessung im Kontext der Langzeitpflege

Der Qualitätsatlas Pflege: Raumbezogene Qualitätsmessung bei Pflegeheimbewohnenden mittels QCare-Indikatoren

Susann Behrendt, Chrysanthi Tsiasioti, Tanyel Özdes, Kathrin Jürchott, Felipe Argüello Guerra, Jürgen Klauber und Antje Schwinger

Geographische Analysen zur gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung bzw. ausgewählter Subgruppen finden sich in zunehmendem Maße. Die raumbezogene Betrachtung von Pflegebedürftigen und ihren medizinischen und pflegerischen Leistungsinanspruchnahmen ist demgegenüber ein sehr wenig beforschtes Feld in Deutschland. Gleichzeitig weisen nicht erst seit gestern Studienbefunde der pflegebezogenen Versorgungsforschung auf deutliche regionale Unterschiede in der Versorgung und ihrer Qualität von Langzeitgepflegten hin. Der vorliegende Beitrag greift diesen Bedarf auf und stellt den „Qualitätsatlas Pflege“ vor, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) online zur Verfügung gestellt wird. Auf Basis von zwölf routinedatenbasierten QCare – Qualitätsindikatoren für die Pflege visualisiert dieser webbasierte neue Atlas – das ist das Hauptaugenmerk – die räumlichen Verteilungsmuster von kritischen Ereignissen in der Versorgung von AOK-versicherten Pflegeheimbewohnenden. Für drei Indikatoren – der Dehydration bei Demenz, der Dauerverordnung von Benzodiazepinen, -derivaten und Z-Substanzen sowie der sturzassoziierten Hospitalisierung bei sturzrisikoerhöhender Medikation – zeigt der Beitrag beispielhaft ausgewählte Ergebnisse. Die kreis- und bundeslandbezogene Betrachtung verdeutlicht: Das Optimierungspotenzial variiert regional teilweise erheblich. Diese erstmals und ab sofort in regelmäßigem Turnus zur Verfügung stehenden regionalen Qualitätsinformationen für rund die Hälfte der Pflegeheimbewohnenden in Deutschland liefern einen wichtigen Beitrag für mehr Transparenz in der Versorgung dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe. Sie werfen auch die Frage auf, wie über die Erhöhung der Awareness bei den (gesundheits)politisch Entscheidungstragenden und den an der Versorgung Beteiligten hinaus regionale Antworten für die Verbesserung der Versorgung gefunden werden können.

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Möglichkeiten der Qualitätsmessung anhand von Routinedaten in der ambulanten Pflege

Kathrin Wehner

Die Versorgung in der eigenen häuslichen Umgebung ist für viele pflegebedürftige Menschen von großer Bedeutung. Neben Angehörigen spielen ambulante Pflegedienste eine zunehmend wichtige Rolle für die Gewährleistung der häuslichen Versorgung. Ein Viertel der zu Hause betreuten pflegebedürftigen Menschen wird gemeinsam mit oder vollständig durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt. Die Themen Qualität und Qualitätsentwicklung und -sicherung der ambulanten pflegerischen Versorgung sind daher zunehmend Gegenstand pflegefachlicher und politischer Diskussionen. Eine Möglichkeit zur Messung von Versorgungsqualität ist die Nutzung von Routinedaten von Kranken- bzw. Pflegekassen. Für die stationäre Langzeitpflege liegen bereits Ansätze für die Qualitätsmessung mittels Routinedaten vor. Für die ambulante Pflege gibt es diesbezüglich noch keine Überlegungen. Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurde nun die generelle Nutzbarkeit von Routinedaten auch für ambulante Pflege untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass eine Reihe von qualitätsrelevanten Versorgungsaspekten in der ambulanten Pflege anhand von Routinedaten operationalisierbar ist. Die Mehrzahl der identifizierten Versorgungsaspekte ist jedoch nicht über Routinedaten abbildbar. Hierfür wären, vor allem für den Regelungsbereich des SGB XI, grundlegende Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich.

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Forschung für mehr Qualität in der Versorgung von Pflegebedürftigen: Ein deskriptiver Blick auf die Förderprogramme in SGB V und XI

Gerald Willms, Susann Behrendt, Felipe Argüello Guerra und Constance Stegbauer

Angesichts der demographischen Entwicklung und der wachsenden Herausforderungen der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Pflege rückt die Versorgung von dauerhaft pflegebedürftigen Menschen immer mehr auch in das versorgungswissenschaftliche Blickfeld. Begünstigt wird dies durch zahlreiche Förderprogramme für wissenschaftliche Projekte auf Bundesebene bzw. auf Ebene der Selbstverwaltung. Allerdings nimmt mit jeder Förderbekanntmachung nicht nur die Anzahl der Projekte, sondern auch die Komplexität und Vielgestaltigkeit des Projektspektrums zu. Damit steigt das Risiko, dass potenzielle Synergieeffekte der Erkenntnisse auf dem Weg zu einer besseren Versorgung von Pflegebedürftigen verloren gehen bzw. überhaupt nicht erkannt werden.

Ziel des Beitrags ist es, zunächst das Förderspektrum, die pflegerelevanten Versorgungsthemen und das Forschungsinteresse der letzten acht Jahre in deskriptiv-analytischer Perspektive, d. h. auch quantitativ abzubilden. Dabei sollen die Schwerpunktsetzungen der Forschungsförderung und damit auch die Kernelemente der wissenschaftlichen und versorgungspolitischen Auseinandersetzung identifiziert werden, wenn und soweit sie sich mit der Verbesserung der Versorgung von dauerhaft Pflegebedürftigen beschäftigen.

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Die Versorgung in der eigenen häuslichen Umgebung ist für viele pflegebedürftige Menschen von großer Bedeutung. Neben Angehörigen spielen ambulante Pflegedienste eine zunehmend wichtige Rolle für die Gewährleistung der häuslichen Versorgung. Ein Viertel der zu Hause betreuten pflegebedürftigen Menschen wird gemeinsam mit oder vollständig durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt. Die Themen Qualität und Qualitätsentwicklung und -sicherung der ambulanten pflegerischen Versorgung sind daher zunehmend Gegenstand pflegefachlicher und politischer Diskussionen. Eine Möglichkeit zur Messung von Versorgungsqualität ist die Nutzung von Routinedaten von Kranken- bzw. Pflegekassen. Für die stationäre Langzeitpflege liegen bereits Ansätze für die Qualitätsmessung mittels Routinedaten vor. Für die ambulante Pflege gibt es diesbezüglich noch keine Überlegungen. Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurde nun die generelle Nutzbarkeit von Routinedaten auch für ambulante Pflege untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass eine Reihe von qualitätsrelevanten Versorgungsaspekten in der ambulanten Pflege anhand von Routinedaten operationalisierbar ist. Die Mehrzahl der identifizierten Versorgungsaspekte ist jedoch nicht über Routinedaten abbildbar. Hierfür wären, vor allem für den Regelungsbereich des SGB XI, grundlegende Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich

TEIL II Instrumente und Maßnahmen der Qualitätssicherung und -entwicklung

Gesetzliche Qualitätssicherung in der Langzeitpflege - historische Entwicklung und Perspektiven

Antje Schwinger und Susann Behrendt

Die gesetzliche Qualitätssicherung in der vollstationären Langzeitpflege hat sich seit Einführung der Pflegeversicherung erheblich gewandelt. Seit 2019 ist ein neues Qualitätssicherungssystem in Kraft, welches externe und interne Qualitätssicherung miteinander verknüpfen soll. Die Ergebnisse der externen Prüfungen durch die Prüfdienste als auch die auf Eigenerhebung der Einrichtungen basierenden Indikatoren zu pflegerischen Versorgungszuständen gehen in die öffentliche Berichterstattung ein. Dies ist grundsätzlich als sinnvolle Weiterentwicklung des Systems zu werten mit dem Ziel, Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen und relevantes Wissen für Rückkopplungen in das interne Qualitätsmanagement zu erweitern. Die Antwort auf die Frage, wie gut dieses Ziel mit dem neuen System erreicht wird, steht bisher aus. Ermöglicht die neue Qualitätssicherung in der stationären Langzeitpflege eine zuverlässige Bewertung der Einrichtungen? Befähigt sie die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen, wie gesetzlich vorgegeben, Pflegeheime auf Basis für sie verständlicher prüf- und indikatorbasierter Kennzahlen für ihre Zwecke zu vergleichen? Evaluation und Weiterentwicklung des Systems sind geboten und die institutionelle Verankerung der Evaluations- und Weiterentwicklungsprozesse ist zu diskutieren.

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Ergebnisse und Empfehlungen aus der Pilotierung des neuen Qualitätsprüfungsverfahrens für die ambulante Pflege

Hans-Dieter Nolting, Friederike A. Haaß und Thorsten Tisch

Die Instrumente und Verfahren für die neu zu fassenden Qualitätsprüfungen und die Qualitätsdarstellung in der ambulanten Pflege wurden pilotiert, um insbesondere die Praktikabilität der geplanten Vorgehensweisen, aber auch messmethodische Aspekte zu untersuchen und vor der Einführung in die Prüfpraxis ggf. Anpassungen vornehmen zu können. In die 2019/20 durchgeführte Pilotierung wurden 76 ambulante Pflegedienste und 754 pflegebedürftige Menschen einbezogen. Im Zentrum des Beitrags stehen Ergebnisse und Empfehlungen der Pilotierung, die in Zusammenhang mit der grundlegenden methodischen Herausforderung der ambulanten Qualitätsprüfungen stehen: Bei einer pflegebedürftigen Person können nur Qualitätsaspekte (QA) geprüft werden, für die auch entsprechende Leistungen des Pflegedienstes vereinbart oder verordnet sind. Teil des Verfahrens ist daher die Ermittlung, ob ein QA im Einzelfall prüfungsrelevant ist. Die Ergebnisse dahingehend präsentiert, inwieweit die vorgesehenen Verfahrensschritte das methodische Kriterium der Objektivität (Unabhängigkeit von der prüfenden Person) erfüllen. Unter den Bedingungen des pilotierten Verfahrens führt die hier zu betrachtende Grundproblematik dazu, dass bei einem Pflegedienst im Mittel nur zehn der 19 QA geprüft werden konnten und darüber hinaus je geprüften QA in den meisten Fällen nur ein bis drei pflegebedürftige Personen einbezogen wurden. In der Pilotierung wurde ein Vorschlag für eine Veränderung der Methodik entwickelt, der beide Probleme zwar nicht lösen, aber deutlich vermindern würde.

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Public Reporting der Qualität der Leistung der Langzeitpflege

Gabriele Meyer und Almuth Berg

Der Beitrag diskutiert die öffentliche Berichterstattung (Public Reporting) von Indikatoren relevanter Versorgungsaspekte in Pflegeeinrichtungen als mögliche Strategie zur Qualitätsverbesserung durch Transparenz. Am Beispiel der anhaltend hohen und änderungsresistenten Verordnungsraten von Antipsychotika in deutschen Pflegeheimen werden internationale Ansätze entsprechender Qualitätsberichterstattung vorgestellt. Aber auch wenn Public Reporting Potenzial verspricht, scheinen komplexe Maßnahmenpakete erforderlich zu sein. Um Unsicherheiten im Hinblick auf wirksames und sicheres Public Reporting zu überwinden, müssen prospektive Evaluationen erfolgen, die mehrdimensionale Ergebnisparameter und unbeabsichtigte Wirkungen berücksichtigen.

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Angehörigenbefragung in der stationären Langzeitpflege

Johannes Strotbek und Daniel Tucman

Seit 2019 hat das Land Hamburg eine jährliche Angehörigenbefragung für alle Pflegeheime gesetzlich vorgeschrieben. Eingesetzt wird ein Fragebogen, den das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung im Auftrag der Weissen Liste entwickelt hat. Mit ihm ist es gelungen, Befragungsergebnisse einrichtungsbezogen zu veröffentlichen. Mit der Befragung wird die Betroffenenperspektive in den Methodenmix der Qualitätsbewertung eingebunden. Bei der Entwicklung galt es allerdings, methodische Herausforderungen bei der Definition von Qualität und Qualitätsdimensionen pragmatisch zu lösen. Der Beitrag ordnet das Projekt in die Debatte um die Qualitätsberichterstattung ein und beschreibt die Entwicklung des Fragebogens. Diskutiert werden methodische Fragen, Erkenntnisse aus der praktischen Anwendung sowie die Aussagekraft der Ergebnisse.

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Infektionsschutz und Impfsurveillance in der Langzeitpflege

Dunja Said, Muna Abu Sin, Arina Zanuzdana, Birgitta Schweikert und Tim Eckmanns

Die Covid-19-Pandemie hat die Vulnerabilität der Alten- und Pflegeheimbewohnenden aufgrund ihres erhöhten Risikos für einen schwerwiegenden oder tödlichen Covid-19-Verlauf verdeutlicht. Um die Bewohnenden in den Einrichtungen in Anbetracht hoher SARS-CoV-2-Inzidenzen in der Gesamtbevölkerung zu schützen, wurden eine Reihe von Infektionsschutzmaßnahmen empfohlen, die im Verlauf der Pandemie zu einem Rückgang der Covid-19-Fälle und -Todesfälle in den Einrichtungen geführt haben. Gleichzeitig hat sich jedoch gezeigt, dass in Alten- und Pflegeheimen häufig einige Faktoren existieren, welche die Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen erschweren und einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit der Bewohnenden ausüben.

Lösungskonzepte für diese Probleme zeigen, dass die Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen nicht für sich allein steht, sondern als Teil eines Konzeptes zur Neugestaltung der Arbeits-, Wohn- und Lebensbereiche der Beschäftigten und der Bewohnenden der Einrichtungen betrachtet werden sollte. Dabei gilt es, den Infektionsschutz in Alten- und Pflegeheimen nicht ausschließlich in Hinblick auf zukünftige Pandemien zu planen, sondern dessen Relevanz auch für bereits jetzt bestehende Gesundheitsgefahren wie nosokomiale Infektionen, Antibiotikaresistenzen oder Influenza zu beachten.

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Auswirkungen des ordnungspolitischen Rahmens der Pflegeversicherung auf die Qualität der pflegerischen Versorgung

Stefan Greß und Christian Jesberger

Der ordnungspolitische Rahmen der Pflegeversicherung begünstigt den Preiswettbewerb zu Lasten des Qualitätswettbewerbs. Aus Sicht der Pflegebedürftigen haben ihre Wahlentscheidung massive finanzielle Konsequenzen, während Qualitätsaspekte bei diesen Wahlentscheidungen vermutlich vielfach eine untergeordnete Rolle spielen. Dieser Umstand wird noch verstärkt durch Fehlanreize bei den Kostenträgern, die aus der Trennung von Kranken- und Pflegeversicherung resultieren. Darüber hinaus werden die Angebotsstrukturen weitgehend von den Investitionskalkülen der Anbieter bestimmt. Einen ersten Schritt zur Eindämmung des Preiswettbewerbs hat der Gesetzgeber durch die Regelungen zur Tariftreue und die Einführung eines bundesweit geltenden Personalbemessungssystems in der stationären Langzeitpflege gemacht. Für einen echten ordnungspolitischen Kurswechsel wäre allerdings die Etablierung eines sektorübergreifenden Sockel-Spitze-Tauschs notwendig. Die Fehlanreize an der Grenze zwischen den beiden Sozialversicherungssystemen ließen sich zumindest teilweise durch eine einheitliche Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege beseitigen. Grundvoraussetzung für die Schaffung bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen ist eine Übernahme der Finanzierungsverantwortung für entsprechende Investitionen durch die Bundesländer.

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Teil III Qualitätsentwicklung in informellen Pflegesituationen

Diskussion um Qualitätssicherung neuer Wohnformen dringender denn ja

Ursula Kremer-Preiß und Karin Wolf-Ostermann

Die Wohn- und Versorgungslandschaft für Pflegebedürftige hat sich in den vergangenen 30 Jahren sehr ausdifferenziert und es hat sich ein breites Spektrum an besonderen „neuen“ Wohnformen entwickelt. Aber nicht nur die Entwicklungen lassen sich in diesem Marktsegment aktuell nicht genau einschätzen. Auch welche Bedeutung sie für die aktuelle Versorgungslandschaft Pflegebedürftiger haben, ist umstritten. „Neue“ Wohnformen bewegen sich zwischen den beiden klassischen Wohnsettings „Heim“ und „Häuslichkeit“ und versuchen als hybride Wohnformen, die schwer zu vereinbarenden Anforderungen nach Autonomie (Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung, Personalität) und Sicherheit (Versorgungssicherheit, (Für-)Sorge) neu auszubalancieren. Sie rücken die Achtung der Autonomie auch bei schwerstem Pflegebedarf ins Zentrum und organisieren Sicherheit für eine autonome Lebensgestaltung durch Befähigung und in gemeinsamer Verantwortung. Sie stehen damit für eine neue Verantwortungskultur in der Pflege- und Sorgearbeit. Qualitätssicherung bei neuen Wohnformen muss diese Besonderheit berücksichtigen. Zwar sind neue Wohnformen bereits heute mit einer Vielzahl ordnungs-, leistungs- und leistungserbringerrechtlichen Qualitätsanforderungen konfrontiert, es fehlen jedoch Qualitätsprüfverfahren zu den spezifischen Besonderheiten neuer Wohnformen. 2019 wurde im Auftrag der Vertragsparteien nach § 113 SGB XI auf der Grundlage der Anforderungen aus dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) ein Qualitätssicherungskonzept für neue Wohnformen entwickelt. Es enthält erste Konturen zur Qualitätssicherung der Besonderheiten in neuen Wohnformen, dass einer weiteren Konkretisierung bedarf. Angesichts der enormen Herausforderungen in den klassischen Wohnsettings sind neue Konzepte gefragt. Eine Diskussion über die besondere Qualität neuer Wohnformen und deren Möglichkeiten der Umsetzung durch entsprechende Rahmenbedingungen ist daher dringender denn je.

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Fokus Häusliche Pflege - der Ansatz der subjektorientierten Qualitätssicherung

Andreas Büscher und Thomas Klie

In diesem Kapitel wird der Ansatz der „subjektorientierten Qualitätssicherung“ vorgestellt. Er wurde in einem mehrjährigen Prozess entwickelt und soll in der Breite erprobt werden. Im Kern geht es um eine verstärkte Aufmerksamkeit für die Pflege in häuslichen Pflegearrangements, die seit Einführung der Pflegeversicherung den größten Anteil der pflegerischen Versorgung ausmacht. Trotz ihrer Bedeutung bleibt die häusliche Pflege eher verborgen, Risiken bleiben unerkannt und Möglichkeiten zur Unterstützung und Begleitung häuslicher Pflegearrangements werden nicht genutzt. Der Ansatz der „subjektorientierten Qualitätssicherung“ richtet den Fokus nicht auf die versorgenden Institutionen, sondern auf die Personen, die auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind, und ihre Lebenswelten. Es wird gefragt, welche Voraussetzungen ein gutes Leben bei und trotz Pflegebedürftigkeit hat, wie häusliche Pflegearrangements begleitet und unterstützt und Risiken erkannt werden können, welche Rollen dem Medizinischen Dienst dabei zufallen können und welche Voraussetzungen auf lokaler und kommunaler Ebene dazu förderlich sind.

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Teil IV Personal und Qualität in der Langzeitpflege

Die Bedeutung und Herausforderungen der Weiterbildung in der Langzeitpflege

Astrid Elsbernd und Laura Hahn

Die ambulante und stationäre Langzeitpflege in Deutschland steht vor enormen strukturellen und inhaltlichen Herausforderungen. Bildung ist ein zentrales Moment zur Sicherstellung einer hochwertigen, fachlich angemessenen Pflege. Insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklungen von Alterserkrankungen und deren Behandlungen müssen Pflegende ihre diagnostischen und pflegetherapeutischen Maßnahmen am Stand des Wissens ausrichten und sich regelmäßig weiterbilden. Fachliche Standards und Leitlinien geben einen wichtigen inhaltlichen Rahmen, strukturell müssen die Angebotsstrukturen für die Langzeitpflege weiterentwickelt werden. Dieser Fachbeitrag gibt hierzu wichtige Impulse und stellt Anforderungen an eine fachlich motivierte Weiterbildung von Pflegefachpersonen in der Langzeitpflege vor.

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Interprofessionelle Zusammenarbeit für mehr Qualität in der Langzeitpflege

Ronja Behrend und Katharina Scheel

Interprofessionelle Zusammenarbeit wird mit Blick auf die Steigerung der Versorgungsqualität in der Pflege immer wichtiger. Gerade in der Langzeitpflege sind positive Effekte durch die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe für die Betroffenen anzunehmen, allerdings ist die Studienlage zu diesem Thema defizitär. Bei der Messung der Versorgungsqualität wird insbesondere die Perspektive der Pflegeempfängerinnen und Pflegeempfänger immer stärker in den Fokus genommen. Versorgungsstrukturen und -prozesse in der Langzeitpflege müssen stärker an die Bedarfe guter interprofessioneller Zusammenarbeit angepasst werden, was in der Umsetzung oft auf Herausforderungen stößt. In Ausbildung und Studium in der Pflege muss interprofessionelles Lernen verstärkt integriert werden. Hier hat das neue Pflegeberufegesetz bereits positive Signale gesetzt, indem es die Bedeutung interprofessioneller Lehre und teambasierter Kompetenzen betont.

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Primärqualifizierende Studiengänge im Überblick

Michael Meng, Claudia Hofrath, Miriam Peters, Lucas Hamel, Bettina Klein und Lena Dorin

Der akademische Bildungsweg für Pflegende wird durch das Pflegeberufegesetz erstmals als weiterer Regelfall neben der generalistischen Pflegeausbildung vorgesehen. In der pflegewissenschaftlichen Forschung liegen eine steigende Anzahl an Studien vor, die empirische Belege dafür liefern, dass sich ein höheres Bildungsniveau der Pflegenden insgesamt positiv auf die Versorgungsqualität auswirkt. Wie jedoch kann dieser Mehrwert operationalisiert und gemessen werden? Wie gestaltet sich die Einführungsphase der neuen Studiengänge in Deutschland? Welche Rahmenbedingungen finden die Studierenden vor? Und welche Einsatzbereiche sind für akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen denkbar? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragestellungen wurde (a) 2022 eine Sondererhebung des BIBB-Pflegepanels zur aktuellen Situation der Hochschulen durchgeführt. Zudem wurde (b) ein Rapid Review zum Thema „Patientenbezogener Mehrwert des Einsatzes von Pflegefachpersonen mit akademischer Ausbildung“ ausgearbeitet.

Zwischen Januar 2022 und April 2022 fand eine bundesweite Querschnittbefragung unter Hochschulen mit primärqualifizierenden Pflegestudiengängen statt. Dies geschah im Rahmen des BIBB-Pflegepanels, eines nach § 60 Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV) neu etablierten Monitorings zur Pflegebildung nach dem Pflegeberufegesetz in Deutschland. Zur Untersuchung des patientenbezogenen Mehrwerts akademisch ausgebildeter Pflegender wurde ein systematisches Rapid Review durchgeführt.

Im Frühjahr 2022 konnte eine Vollerhebung mit n = 27 Hochschulen mit primärqualifizierendem Studienangebot in der Pflege umgesetzt werden. ImWintersemester 2021/2022 wurden n = 1.109 Studienplätze in primärqualifizierenden Studiengängen angeboten, immatrikuliert waren n = 488 Studierende. Es zeigt sich, dass diejenigen Hochschulen mit primärqualifizierenden Studiengängen, die eine kontinuierliche Finanzierung der Studierenden sicherstellen, eine höhere Auslastung der Studienplätze aufweisen als Hochschulen, die das nicht anbieten (60 % versus 42 % Auslastung). Die in Bezug zu den Pflegeauszubildenden ermittelte Akademisierungsquote für die primärqualifizierend Studierenden beträgt 2021 0,82 % und liegt somit weit hinter dem vom Wissenschaftsrat geforderten Minimum von 10 % (Wissenschaftsrat 2012). Zum Mehrwert akademisch Pflegender wurden n = 23 Studien mit unterschiedlicher internationaler Ausrichtung aus den Jahren 2012 bis 2022 in das vorliegende Rapid Review eingeschlossen. N = 18 Studien konnten feststellen, dass sich die Beschäftigung von akademisch ausgebildeten Pflegenden positiv auf die Patientenversorgung auswirkt. Der Fokus der meisten Studien (n = 13) liegt auf der Untersuchung von Mortalitätsraten, die in allen Studien sinken, wenn der prozentuale Anteil an akademisch qualifizierten Pflegefachpersonen in der direkten Patientenversorgung erhöht wird. Weitere in den eingeschlossenen Studien angelegte Kriterien zur Messung des Mehrwerts sind die Failure-to-rescue-Rate (Todesfälle nach Komplikationen im Zusammenhang mit der Behandlung im Krankenhaus), die Patientensicherheit, die Krankenhaus-Verweildauer und die Wiederaufnahme. Auch diese Studien identifizieren positive Auswirkungen von höheren Quoten an akademisch ausgebildetem Pflegepersonal.

Die hier vorgestellte Studie stellt eine Vollerhebung unter Hochschulen mit primärqualifizierenden Studiengängen mit dem Berufsabschluss zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann dar. Die Daten bilden die frühe Einführungsphase der hochschulischen Ausbildung nach Pflegeberufegesetz ab. Besonders die Entwicklung der Studierendenzahl muss aber auch langfristig unter Berücksichtigung von Attraktivitätsmerkmalen wie beispielsweise einer kontinuierlichen Finanzierung in den Blick genommen werden. Hierfür finden ab 2022 jährliche und auf Dauer angelegte Längsschnitterhebungen unter Hochschulen, Pflegeschulen und Ausbildungseinrichtungen im Rahmen des BIBB-Pflegepanels statt. Empirische Befunde zeigen: Ein höheres Bildungsniveau der Pflegenden ist mit einem besseren Patienten-Outcome verbunden. Bei der Akademisierungsquote Pflegender in Deutschland besteht deutlicher Nachholbedarf. Es lassen sich vielfältige Tätigkeitsbereiche für akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen aufzeigen. Diese stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu den beruflich qualifiziert Pflegenden, sondern stellen vielmehr passgenaue Ergänzungen im Sinne eines ausgewogenen Qualifikationsmixes dar.

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Teil V Daten und Analysen

Pflegebedürftigkeit in Deutschland

Sören Matzk, Chrysanthi Tsiasioti, Susann Behrendt, Kathrin Jürchott, Felipe Argüello Guerra und Antje Schwinger

Der Beitrag liefert ein ausführliches Bild zum Stand der Pflegebedürftigkeit und der gesundheitlichen Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland. Die Analysen basieren auf GKV-standardisierten AOK-Daten. Sie zeigen Prävalenz, Verläufe und Versorgungsformen der Pflege sowie Kennzahlen zur gesundheitlichen Versorgung der Pflegebedürftigen. Im Fokus stehen die Inanspruchnahme von ärztlichen und stationären Leistungen, Polymedikation und Verordnungen von PRISCUS-Wirkstoffen und Psychopharmaka. Die Ergebnisse werden der Versorgung der Nicht-Pflegebedürftigen gleichen Alters gegenübergestellt und differenziert nach Schwere der Pflegebedürftigkeit und Versorgungssetting ausgewiesen.

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